Warum ist ein Mensch so wie er ist?

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In Berlin-Charlottenburg trafen sich Miriam Grube, Johanna Gehrke und Extra-Geschäftsführer Sebastian Lazay zu einem Gespräch über die psychologischen Fortbildungsveranstaltungen der Extra Akademie in Berlin. 

Dipl.-Psych. Miriam Grube studierte in Gießen Psychologie mit Nebenfach Medizin und absolvierte anschließend in Berlin eine Weiterbildung in Verhaltenstherapie für Erwachsene, Kinder und Jugendliche. Parallel dazu arbeitete sie in einer Kriseneinrichtung für Kinder- und Jugendliche sowie in der Psychiatrie und ist aktuell in einer Gemeinschaftspraxis (Institut für Psychotherapie und Familie) tätig. Dipl.-Psych. Johanna Gehrke sammelte nach dem Studium in Hamburg und Berlin Berufserfahrung in der Kinderpsychiatrie, absolvierte eine Weiterbildung in Tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie für Kinder und Erwachsene, verfügt über Erfahrung in der Arbeit mit traumatisierten Menschen und in der psychologischen Online-Beratung.

Ihnen beiden gemeinsam ist ein Schwerpunkt in der ambulanten Psychotherapie und natürlich ihr Engagement als Referentinnen an der Extra Akademie.

Sebastian Lazay: Frau Gehrke, Frau Grube, vielen Dank für die heutige Runde hier in unserem Berliner Büro. Die Fortbildungsveranstaltungen der Extra Akademie laufen immer ganz ruhig und kontinuierlich im Hintergrund. Heute wollen wir das einmal ändern und diese Arbeit in den Fokus nehmen. Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich aktuell?

Johanna Gehrke: Wir haben in Berlin einige Fortbildungsthemen von unseren Kolleginnen Franziska Bomba und Franka Metzner aus Hamburg übernommen. Dabei war und ist das Thema „Resilienz“ von besonderer Bedeutung. Aktuell läuft es unter der Überschrift „Innere Schätze heben“. Wir haben nun geplant, es in zwei Teile aufzuteilen, also in Grundlagen der Resilienz und die Vorbereitung der praktischen Umsetzung. Insgesamt bieten wir ab diesem Jahr zehn verschiedene Veranstaltungen an. Neu dazu gekommen sind zum Beispiel Stressbewältigung durch Achtsamkeit und Selbstfürsorge in zwei getrennten Veranstaltungen.

Neben pädagogischen Themen rund um die Förderung von Kindern und Jugendlichen geht es also auch um die Kolleginnen und Kollegen selbst?

Miriam Grube: Das ist richtig. Bei allen Themen ist uns sehr wichtig, dass die Teilnehmenden die Inhalte selbst erfahren. Praktische Übungen sind wichtig, um das Gelernte auch wirklich umsetzen zu können. Entweder mit den Kindern, oder mit sich selbst. Tatsächlich geht es um noch mehr als die Auffrischung oder Vertiefung von Wissen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Teilnehmenden sich gerne selbst in die Fortbildungen einbringen. Sie berichten von Erfahrungen, von positiven wie negativen Erlebnissen. Auch Stress gehört beispielsweise dazu und damit die Frage, wie der Einzelne damit umgehen kann. So kommt man dann immer wieder zu neuen Fragestellungen. Zum Beispiel zu Entspannungsmethoden. Hier geht es in ersten Übungen oft zunächst nur um das Wahrnehmen ohne zu bewerten. Darauf aufbauend kann man zum Beispiel mit der 30-Sekunden-Methode wirksame Wege für den Umgang mit Stress im Alltag aufzeigen.

Johanna Gehrke: Im letzten Jahr haben wir das kultursensible Arbeiten als neues Thema aufgenommen. Dabei haben wir einen Schwerpunkt auf den Umgang mit traumatisierenden Erfahrungen gelegt. Denken Sie dabei zum Beispiel an Angst vor Feuer, vor Geräuschen oder scheinbar unkritischen Gegenständen wie einer Klebepistole. Es gibt da viele Beispiele. Für uns erscheint es immer selbstverständlich, dass auch Andere die Welt so sehen wie wir. Doch das ist nicht so. Es hilft, wenn wir lernen, den Blick zu öffnen und diese Haltung in Frage zu stellen.

Das klingt nach einem sehr grundsätzlichen interkulturellen Austausch.

Miriam Grube: Ja – und der hat auch richtig Spaß gemacht. Wir haben nämlich auch einmal nach Vorurteilen gegenüber Deutschen gefragt. Teilnehmende mit ausländischem Hintergrund brachten ihre Sicht der Dinge ein und diskutierten das mit den Deutschen. Aus italienischer Sicht fiel zum Beispiel auf, wie stark das Leben in Deutschland nach festen Regeln abläuft. Der einzelne inhaltliche Aspekt war für uns aber gar nicht entscheidend, sondern vielmehr die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Sichtweisen, Einstellungen oder Kulturen. Diesen Austausch in der Gruppe fördern wir in unseren Veranstaltungen sehr, auch im Rahmen von Kleingruppenarbeit. Wir können hier einen sehr offenen und praktischen Dialog beobachten, sogar bei sehr schwierigen Themen wie zum Beispiel Mobbing.

Johanna Gehrke: Wir profitieren hier in Berlin sehr vom Engagement der Teilnehmenden. Sie bringen ganz viel praktische Erfahrung mit, sowohl positiv als auch negativ. Für unsere Veranstaltungen ist das sehr bereichernd. Und der Erfolg gibt uns recht. Die Schulungen sind gut nachgefragt und sehr positiv bewertet.

Miriam Grube: Dabei haben wir es in Berlin mit einer sehr heterogenen Gruppe zu tun. Von Menschen mit abgeschlossenem pädagogischen Studium bis zum Quereinsteiger ohne Ausbildung ist jeder dabei. Das ist eine Berliner Besonderheit. Das Team harmoniert in seiner Gemeinschaft sehr gut. Das ist im positiven Sinne wirklich besonders bemerkenswert.

Tatsächlich beschäftigen wir in Berlin teilweise auch Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung. Das ist sonst in unserem Hause nicht möglich. Dabei achten wir jedoch auf eine gute Eignung für eine Arbeit in Kitas. Eine Vorerfahrung als Tagesmutter kann zum Beispiel eine solche Eignung nahelegen. Wie stehen Sie zu dieser Frage?

Johanna Gehrke: Es kommt auf die praktische Tätigkeit im Alltag an. Wenn ein gutes inhaltliches Konzept in einer Einrichtung gelebt wird, können auch Menschen ohne abgeschlossene pädagogische Ausbildung eine wertvolle Unterstützung sein. Neben einer guten Anleitung im Arbeitsalltag können letztlich auch unsere Seminare dazu beitragen, dass ein Austausch mit erfahren und gut ausgebildeten Pädagogen zustande kommt, und auch Beschäftigte ohne Ausbildung theoretisches und praktisches Wissen sammeln können.

Wenn Sie einige Jahre zurückblicken – was hat Sie eigentlich selbst bewogen, sich mit der Psychologie so intensiv zu beschäftigen, dass Sie sie zu Ihrem Beruf gemacht haben? Und ist dieser Beruf nicht manchmal auch schwer zu ertragen?

Miriam Grube: Ich wollte immer wissen ‚Warum ist ein Mensch so wie er ist?‘ Das hat mich schon in meiner Kindheit interessiert. Dieses Ziel habe ich verfolgt.

Johanna Gehrke: Unsere Arbeit ist weniger schwer, als viele Menschen das denken. Menschen in ihrer Entwicklung zu begleiten, mit ihnen in Kontakt zu stehen, ist ganz wunderbar. Kinder drücken sich oft im Spiel und über Symbole aus. Das macht die Arbeit noch lebendiger. Es ist ein sehr schöner, helfender Beruf, der mir eher Energie gibt, als nimmt. Es geht dabei aber schon immer wieder um die Frage der Balance zwischen „berührbar bleiben“ und „professionelle Distanz wahren“. Anders gesagt: es zählt das Mitgefühl, nicht das Mitleid.

Miriam Grube: Wir behandeln in der Psychologie das gesamte System. Gerade bei Kindern also auch die Verbindung zu den Eltern oder anderen wichtigen Bezugspersonen. Wir können hier sehr viel bewegen. Auch, indem wir mit Erziehern zusammenarbeiten. In der Arbeit mit Kindern ist ganz viel möglich, der Weg ist noch nicht vorbestimmt.

Ist es so, dass Sie dank Ihrer Persönlichkeit, Ihrer Ausbildung und Ihrer Erfahrung zu jedem Menschen einen echten Kontakt herstellen können? Oder geraten auch Sie an Grenzen?

Miriam Grube: Dass etwas wirklich nicht passt, kommt tatsächlich nur sehr selten vor. Ich erinnere mich an eine Situation, in der ich als junge Therapeutin mit einem älteren Herrn zu tun hatte. Dabei fiel es ihm schwer, sich auf meine Ratschläge und Hilfestellungen einzulassen. Aber diese Schwierigkeiten, die sich in der therapeutischen Beziehung manchmal auftun, erleben die Patienten zumeist auch in Beziehungen außerhalb der Therapie und können dann auch eine Chance sein, wenn man im therapeutischen Kontext darüber redet. Auf jeden Fall ist es richtig, dass die Beziehung zwischen Patient und Therapeut der größte Wirkfaktor ist.

Johanna Gehrke: Teil unserer Ausbildung ist auch die Auseinandersetzung mit unserer eigenen Geschichte. Das hilft dabei, eigene Themen außen vor zu lassen und sich ganz auf das jeweilige Gegenüber einzustellen. Mir ist es bisher gelungen, in jedem Menschen einen Teil zu entdecken, den ich mag. Auch dann, wenn ich zum Beispiel mit vielen Ansichten nicht übereinstimme.

Vielen Dank für diese Einblicke in Ihre Aufgabenfelder. Ich wünsche uns allen weiterhin eine gute Zusammenarbeit!

Bild: Sebastian Lazay mit Johanna Gehrke (Mitte) und Miriam Grube (rechts)

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